Generationen-Liste - Ahnenportrait
[5] Brigitta Reisch

Brigitta wohnte mit ihren Eltern und mit ihren zwei Brüdern, Georg und Hermann, in der Turmstr. 44 in Berlin-Moabit. Das Haus gehörte dem St. Hedwigs-Frauenverein,
hat einen Durchgang zum Kath. Waisenhaus und zur St. Paulus-Kirche. Das
Haus gehörte also zum katholischen Zentrum Moabits.
Die Wohnung - früher
durchgehend bis zum Hinterhaus, später abgeteilt - lag nach Süden im dritten
Stockwerk, hatte hohe, große Räume (2 Vorderzimmer, ein Alkoven, Korridor,
Küche mit Balkon, Kammer und Toilette). Über Toilette und Kammer zog sich
ein Hängeboden hin. Solche Hängeböden waren oft die Schlafstätten der Dienstmädchen,
wenn sie im Haus gehalten wurden. Ein Stockwerk höher wohnten Brigittas
"Miterzieher", drei Schwestern ihrer Mutter.
Vom Oktober 1918 bis Oktober
1922 besuchte Brigitta die 41. Gemeindeschule in der Stromstrasse in Berlin-Moabit.
Danach erfolgte der Besuch des 10. Städt. Lyzeums (Kleist-Lyzeum) in der
Bremer Str. 69/70 in Moabit mit Abschluss der mittleren Reife an
Michaelis 1929. Im Anschluß besuchte sie für ein halbes Jahr Salomon's kaufmännische
Privatschule in der Rathenower Strasse 1 in Moabit. Von April bis
Oktober 1930 besucht sie die Kaufmännische Berufsschule für Mädchen in Berlin-Kreuzberg.
Während dieser Zeit ist sie bei der Firma J.Rapp's Thermometer- und Glas-Instrumenten-Fabrik
in der Alten Jakobsstrasse 136 als Bürokraft beschäftigt, beendet aber das
Arbeitverhältnis einen Monat später. Am 01. Mai 1931 wird sie bei Johann
Schlesinger, einer kleinen Papier- und Tütenfabrik in Berlin-Pankow, Schmidtstr.
10, als Kontoristin angestellt. Einen Monat vor ihrer Heirat beendet sie
ihre berufliche Laufbahn.
Ihren zukünftigen Mann lernte sie am 29./30. Januar
1933 kennen. Es war Wahlsonntag und die Zentrumspartei hatte zur letzten
Wahlversammlung mit anschließendem Tanz in die Hohenzollern-Säle in der
Bandelstraße, Moabit, eingeladen. Nach Mitternacht wurde sie von [2] Rudolf Woelky zum
Tanz aufgefordert und zwei Jahre später (10.02.1935) wurde Verlobung gefeiert.
Am 02.10.1936 wurde Doppelhochzeit gefeiert: Brigittas Eltern hatten an
diesem Tag ihre Silberne Hochzeit.

Brigitta 1916

Brigitta 1930

Brigitta und Rudolf 02.10.1936
Das junge Paar bezog eine Wohnung in der Birkenstr. 42, fünfzehn Minuten zu Fuß von der elterlichen Wohnung entfernt. Bevor ihr Mann zum Wehrdienst eingezogen wurde (August 1941), schenkte sie ihm bereits drei Kinder (Regina, Michael und Otfried = ROM). Als die Bombenangriffe auf Berlin immer häufiger wurden, kamen durch die "Mutter und Kind" - Aktion schwangere Frauen in weniger gefährdete Gebiete. Am Geburtstag ihres Mannes (12.08.1943) und im siebenten Monat schwanger kam Brigitta nach Buckow in der Märkischen Schweiz. Ihre Mutter begleitete sie. Niemand rechnete damit, dass sie zwei Jahre lang von zu Hause getrennt waren. In Buckow gebar sie ihr viertes Kind, Ursula. Danach musste sie - nun mit vier Kindern und Mutter - weiter nach Neu-Mandelkow in der Neumark. Als Unterkunft wurde ihnen eine Baracke zugewiesen. Wenig später ging es weiter nach Groß-Mandelkow (nördl. Landsberg). Zuerst wohnten sie in einem Schullandheim und vier Monate später in dem Gemeindesaal im Haus der Pastorenfamilie Thomas. Der Saal wurde zur Wohnung hergerichtet und Rudolf schaffte die Einrichtung aus der Birkenstraße per Güterwagen nach Groß-Mandelkow .
Als die Flüchtlinge aus dem Baltikum,
Ost- und Westpreußen, Pommern und Posen gen Westen zogen, wurde es auch
in dem Gemeindesaal immer enger. Den Flüchtlingen folgten die Russen. Mutter
Anna schaffte Essbares ins Haus, kochte für die Angehörigen und Flüchtlinge
und ertrug Schweres durch Russen und Polen.
Dann wurden auch sie vertrieben, mussten innerhalb von zehn Minuten alles
verlassen. Mit einem Kinderwagen, einem Fotoalbum, einem Kopfkissen und
den Sachen, die man am Leibe trug ging es zu Fuß die 170 km im Juli 1945
zurück nach Berlin. Der Bezirk Tiergarten war der wohl am meisten zerstörte
Bezirk Berlins. Ihre Wohnung war zwar noch vorhanden, aber von ausgebombten
Bürgern belegt. Einige Zeit später konnte die Familie jedoch dort wieder
einziehen. Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest 1947 kam ihr Mann aus der
Gefangenschaft zurück. Im Oktober 1949 bekam sie ihr fünftes Kind, und aus ROM wurde inzwischen HUMOR.

die Familie 1952